Donnerstag, 23. Mai 2013

Vorschau Bundestagswahl 2013: Der Antiwahlkampf


Googles Autovervollständigung stellt die richtigen Fragen
Für jeden, der es noch nicht gemerkt hat: am 22. September 2013 ist Bundestagswahl. Bis dahin wird wieder eine Zeit auf Deutschland einprasseln, die gemeinhin als “Wahlkampf” bezeichnet wird. Jedoch wird dies dieses Mal nicht im wörtlichen Sinne, als direktes Werben von Parteien und Kandidaten um die Stimmen der Berechtigten, ablaufen, sondern vielmehr in Aussagenvermeidung und Verunglimpfung der anderen Seite umschlagen.

Ein breites Themenfeld könnte abgearbeitet werden



Die inhaltliche Themenliste für diese Wahl ist aber lang und mit vielen schweren Themen besetzt:
  • Finanzkrise und die Folgen
  • der Syrienkonflikt
  • Mindestlohn
  • Gleichstellung von Mann und Frau
  • Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften
  • Realisierung der Energiewende
  • Netzneutralität
  • Finanzierung von Aufgaben der Kommunen / Finanznot der Städte

Die Diskussion über diese Inhalte findet bereits jetzt ohne den Wähler statt. Man weiß nicht, ob dieser überhaupt Interesse daran hat. Fest steht, dass die Verlage und Medien für den Wähler entschieden haben, dass es ihn nicht interessiert.
In der wahlkampftypischen Verknappung reduziert man die Inhalte auf Köpfe, Formeln und Phrasen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung ist nicht mehr vorhanden.

In dieser Phase befinden wir uns aber nun ständig, unabhängig ob Wahlen sind oder nicht. Recherchierte Artikel geraten mehr und mehr in den Hintergrund. Wichtig ist die Überschrift und der Teaser. Man möchte online Klicks erzeugen und ein Klick ist ein Klick; da spielt es keine Rolle ob der Leser den Artikel gut fand oder nicht. Tiefgründig recherchiert oder ob nur oberflächig eine Agenturmeldung umgeschrieben wurde.

In der Abhängigkeitsfalle gefangen?


Größtenteils akzeptieren Politiker und Parteien weiterhin diesen traditionellen Medien als Hauptbindeglied zwischen sich und dem Wähler - auch wenn die Medien nun online sind. Aber damit übernimmt die Politik an sich das Problem der Inhaltsleere von der Presse. Der Inhalt wird entkernt und auf wenige zackige Sätze zusammengekürzt. Kurzfristig erreicht man so eine breite Masse an - potentiellen - Wählern. Doch wird dies auf Dauer gutgehen?

Ein Risiko besteht darin, dass dem Bürger immer mehr das Denken abgenommen wird. Bei der Reduktion auf Personen besteht die Gefahr sich mehr auf das Vertrauen in eine Person zu verlassen als auf die eigentliche Frage: “Wie soll, nach meiner Meinung, Deutschland in 10+ Jahren aussehen?” Kurzum: Die Umsetzung der eigenen Vorstellung und Vision.

Weiterhin machen sich aber die Parteien zunehmend abhängig von den Medien. Dabei muss man über die Fahrstuhltheorie der BILD hinwegsehen.
Die Zeitungen stecken insgesamt betrachtet in einem Umbruch oder einer Krise - je nach Sichtweise der Branche. Eine zu starke Abhängigkeit lässt dies auch auf die Parteien übertragen mit all ihren Folgen. Dass dies scheinbar versucht wird aufzuhalten kann man anhand des Versuchs zur Gesetzgebung des Leistungsschutzrechts (#LSR) sehen. Man hat sich scheinbar so stark an einen Partner gebunden, dass er einem selbst mit in den Abgrund zu ziehen droht.

Neue alte Medien und (a)soziale Netzwerke


Dass sich dadurch strukturelle Probleme, die sich aufgrund des Wandels in den Medien abzeichnen, nicht lösen lassen, weiß sicherlich jeder Politiker. Ganz besonders aber die Strategen in den Parteizentralen.
Während - wie übrigens auch bei größeren Unternehmen - das Segment “Online” in der Wahlwerbung / PR bis vor kurzem kaum noch eine Rolle spielte, wird nun groß und breitflächig aufgetafelt. Facebook, Google+, Twitter, YouTube, Flickr, Instagram, … man ist überall dabei.

Soziale Medien sind aber nur ein anderer Distributionskanal für die Inhalte, die man verbreiten möchte. Man sieht sich demnach zwei Problemen entgegen: Inhalte generieren und Leser finden.
Die eigene Leserschaft finden ist dabei das schwerste, denn dies wurde bisher immer abgenommen von den Zeitungen. Wer Kanäle der Parteien bereitwillig folgt, ist meist selber Anhänger oder mit der politischen Richtung verbunden. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass die generierten Inhalte aussehen wie direkt aus dem Parteiprogramm kopiert. Eine zielgruppenorientierte Herangehensweise ist selten; dabei weiß jeder Social Media Manager um die Wichtigkeit dieser.




Aber man ist Politiker und als solcher hat man schon viel über das Internet gehört. Glücklicherweise wird es nicht mehr mit dem Hauptzweck der Verbreitung von Pornografie beschrieben. Aber im Netz lauert Cyber-Kriminalität, Abzocke, Verleumdung, kein Klarnamen-Zwang, Filesharing/Raubkopien und mit Datenschutz ist es auch weit her.
Alles Punkte gegen die sich die meisten Politiker im Bundestag in ihren Reden stellen.

Außer Acht gelassen wird dabei immer wieder der Hauptaspekt der sozialen Netzwerke: Jeder kann mitdiskutieren und mitmachen. Es ist eine Möglichkeit mit vielen Menschen in Kontakt zu treten und eine Kommunikation herzustellen, die in zwei Richtungen verläuft.
Doch statt sich dieser primär anzunehmen wird nur one-way gepostet und getwittert wie gewohnt in Zeitungsmeldungen oder Pressemitteilungen. Die Interaktivität wird außer Acht gelassen. Es sei denn, man möchte selber an den angeblichen Problemen des Internets partizipieren.

Ganz vorne ist da die Verleumdung. Dies ist die höchste Form, aber das gegenseitige schlecht-machen gehört mittlerweile zum guten Ton in der Politik. Es wird nahezu jeder Sachverhalt skandalisiert sodass am Ende des Tages in den Nachrichten die Laienschauspieler des Politikbetriebs auftreten können mit den immer gleichen Phrasen: Man verlange Aufklärung, es sei ein Skandal, Schaden müsse abgewendet werden von Deutschland, es wäre ein Armutszeugnis für diese Person... bis hin zur obligatorischen Rücktrittsforderung.

Das Internet bietet da nun aber noch viel mehr Möglichkeiten; insbesondere durch die Anonymität, die aber gerne als Problem verschrien wird. Natürlich nur, wenn es einem nicht selber betrifft.
Da schaltet man YouTube-Videos mit Schmäh-Inhalt des Gegenkandidaten, werden auf den Twitterstreams Behauptungen aufgestellt ohne Grundlage oder  werden Befürchtungen geschürt.

Unter anderem wurde das Mitmachzentrum der FDP aufgegriffen. Hier konnte man sein eigenes Wahlplakat entwerfen, mitsamt Bild und Slogan. Alles im Coperate Design der Partei. Jeder, der sich täglich etwas im Internet aufhält konnte ahnen, dass dies als Vorlage für eine Anti-Aktion dient. Traurigerweise wurde dies erst richtig bekannt nachdem die FDP bzw. der Fotograf und Urheber des Motivs gegen ein solches von den Grünen erstelltes Wahlplakat abmahnte. Es folgten Presseberichte und der Tumblr “Gut gemacht, FDP” bekam großen Zulauf.
Der Abwählkalender, den die meisten Abgeordneten der Grünen so gerne tweeten, wurde auch schnell ins Gegenteil kopiert. Auf Facebook findet sich der zugehörige Abfallkalender, eine “Antwort” auf grüne Inhalte, Themen und Personen.

Die USA als (schlechtes) Vorbild


Dies ist die einfachste Form des Wahlkampfes: Den anderen beschimpfen und schlecht aussehen lassen. Und es wird mit Sicherheit zunehmen. Das Problem dabei ist, dass dadurch der Inhalt immer mehr in den Hintergrund gerät.

Ich durfte in meinem Urlaub in den USA während der letzten Präsidentschaftswahl viele Wahlwerbespots anhören und -sehen. Ironischerweise waren fast alle Botschaften Antihaltungen zum Gegenkandidat, gekoppelt mit bedrohlichem Unterton und Weltuntergangsstimmung. Anschließend folgte meist der Gegenkandidat mit seinem Spot, der zugleich fast die selben Anschuldigungen, die kurz vorher ihm angelastet wurden, dem Gegner attestierte. Und das folgte in Endlosschleife. Eine sehr nervenaufreibende Prozedur.


Wie wird der Herbst?


Ist es das was uns erwarten wird im Spätsommer und Herbst?
Ist nur noch entscheidend, welche Partei wieviele Wahlhelfer online rekrutieren kann? Welches das geringere Übel ist? Geht es nicht mehr um Visionen für Deutschland, sondern um Vertrauen in eine Person? Werden wir als Bürger die Mitgestaltung somit fahrlässig, aber auch bereitwillig, aus den Händen geben?

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