Troy Ramone and Bunny Melbourne 07 (c) THOR |
Frei von jeder Staatsgewalt sein. Das ist ein Traum und eine
Philosophie vieler. Ausdruck der Rebellion mit bunten Haaren, Nietenjacken und
krachender Musik.
Aber es scheint Bewegung in die Gruppierung der Punks zu
kommen, denn immer wieder trifft man die seltene Art in den Zügen der Deutschen
Bahn, statt nur vor deren Bahnhöfen. Rebellion und Anarchie ist nach einem
Kampf von ca. 40 Jahren der Punk-Szene nicht mehr wie früher anwendbar. Die
Gesellschaft um diese Bewegung herum hat sich verändert und das
nonkonformistische Verhalten wird überdacht; schließlich sind viele Begründer
des Punks mittlerweile in höheren Altersgruppen anzutreffen und Konventionen
wurden alltagstauglich.
Ein Punk auf der Straße schockiert heute niemanden mehr…
Bewegung zur Verbreitung der Kunde
Sich aus der Gesellschaft auszukoppeln hieß oftmals früher
auch das Fehlen eines Autos. Geld für Kraftstoff oder das Abschließen von
Versicherungen passte nicht in das Bild des Rebellen. Viel lieber wurde auf das
Trampen zurückgegriffen. An die Straße gestellt und den Daumen gehoben, bis
jemand Mitleid hatte diese sich selbst ausstoßenden mitzunehmen.
Dadurch wurde aber auch klar, dass der Punker an sich keinen
Schwerpunkt auf Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit legte. Das Empfinden von Zeit
ist hauptsächlich subjektiv. Der Punker kommt an, wenn er da ist. Das nannte er
Freiheit. Er wusste am Morgen nicht, ob er es bis abends an sein Ziel schaffen
würde oder wo dieses sein könnte.
Dieses Gefühl der zeitlichen Unabhängigkeit bietet
neuerdings die Deutsche Bahn. Insbesondere im Winter ist es fraglich welcher
Zug nun fährt. Niemand weiß, ob er am Tag X wirklich sein Ziel erreicht.
Genau dies nutzt der Punker für sein Lebensgefühl. Zwar muss
er nun nicht mehr den Daumen hochhalten, aber es ist auch fraglich wann und ob
ein Zug hält. Dass man dann die Konvention des entgeltlichen Transports
aufnimmt ist zu verschmerzen. Der Staatskonzern bietet durch seine
Gruppentickets freundliche Punkerpreise. Zudem ist durch diese der soziale
Zusammenhang als Gruppe gewährleistet.
Gedämpfte Musik als Zeichen der Irritation
Sollte der Bahnreisende, der nun auf eine Gruppe der bunt
frisierten Punker trifft nun denken, dass ihn jetzt bellender Punk-Rock
entgegenschlägt, gepaart mit Gebrüll und Besäufnisse, wird er zumeist
enttäuscht. Durch den Einsatz von Musik in gedämpfter Zimmerlautstärke
irritiert der Rebell seine Mitmenschen. Die jahrzehntelange Konditionierung auf
den Stereotyp eines Punkers brachte Erwartungen hervor, die als Standard für
gesellschaftliches Verhalten herangeführt werden kann. Dies aufzubrechen ist
Ziel der Aufsässigen gegenüber dem System. Man erfüllt keine Erwartungen der
Angepassten, sondern schockiert durch Widerlegung der eigenen Vorurteile.
Umwelttrend wird verfolgt?
Weiterhin beobachtet man die traditionelle Bierdose in den
Händen der Gruppe. Nach der Einführung des Pfands auf selbiger ist es schwerer
geworden für diese Verpackung am Markt. Die treue Haltung der anarchistischen
Rebellion ist aber weniger die Haltung zum Umweltschutz. Fein säuberlich werden
zwar geleerte Dosen wieder eingesammelt, aber dies geschieht aus einer
betriebswirtschaftlichen Not heraus.
Die einfachen Mechanismen der Volkswirtschaft hat der Punk
verstanden und weiß ob der Verschwendung von Geld. Mit 25 Cent pro Dose würde
ansonsten Geld weggeworfen. Auch wenn die Währung nur Ausdruck des bestehenden
Kapitalismus zur Versklavung der arbeitenden Bevölkerung ist, so hat sie auch
den Nachteil für die rebellierende Gruppe, dass Bier in einer solchen Währung
gelistet ist.
So begreift der Punk, dass das Pfand nur ein durchlaufender
Posten ist und entscheidend für die Reinvestitonsquote neuer Liter des Gebräus.
Einmal investiert, kann das Pfand genutzt werden um neue Bierdosen aus der Hand
des bestehenden Kapitalismus zu befreien.
Hochdeutsch vs. Ey!
Ein ungewohnter Kampf ist zudem in der Gruppe zu erkennen.
Immer mehr versucht man sich von der gemeinen Bevölkerung abzugrenzen indem man
des Hochdeutschen mächtig ist. Der Betrachter, der nur das Äußere im Blick hat,
wird damit konfrontiert sodass er sich seiner Vorurteile ein weiteres Mal
bewusst wird.
Als Gegenpol stellt sich aber die universelle Benutzung des
Wortes „Ey!“ heraus. Die Kombination aus beiden Arten der Sprache ist
vorhanden, wenn auch selten. Vielmehr vertreten einzelne Gruppenmitglieder
unterschiedliche Ansätze in ihrer Provokation.
Die Nutzung des Hochdeutschen zielt auf das Empfinden des
Empfängers ab, sich geistig überlegen zu fühlen. Die Konfrontation auf der
meist gleichen Ebene führt zur Verunsicherung im weiteren Umgang mit den
Gruppenmitgliedern.
Bei den „Ey!“-Nutzung wird durch die ständige Wiederholung
versucht die Mannigfaltigkeit eines Wortes zu nutzen. Der Kontext der Nutzung
wird somit wichtig. Dies drückt das Bedürfnis des Sprechers aus, dass sich die
Gesellschaft mehr den Individuen zuwenden sollte.
Sexuelle Befreiung und Übergriffe
Den Punker an sich sieht der geneigte Bürger eher als
asexuelles Wesen an. Nur wenige können sich aktiv vorstellen, dass ein Mensch
mit diesem Aussehen und Auffassungen über ein aktives Liebesleben verfügt.
Hinzu kommt die sexuelle Befreiung der Bewegung. Immer wieder sind lesbische
Szenen in Zügen der Deutschen Bahn zwischen weiblichen Punkern zu beobachten.
Hier kollidiert die heile Welt der Gesellschaft in
mehrfacher Hinsicht mit der Szenerie der neuen Punk-Szene.
Auf der einen Seite ist die konservative Seele weiterhin so
geprägt, dass, Aufklärungskampagnen zum Trotz, gleichgeschlechtliche Liebe
nicht akzeptiert wird. Steht diese Gruppe Menschen nun solchen Szenen gegenüber
wird ihm aber nicht sein fehlerhaftes Verhalten als kleines gehorsames Rädchen
in der Gesellschaft bewusst. Es führt mehr zu der Bestätigung der Ansichten
über die gesellschaftlich Ausgestoßenen.
Ein weiterer Kollidierungspunkt bildet die traditionelle Bebilderung
der Pornoindustrie. Diese greift immer wieder auf lesbische Szenen als
Männerphantasie zurück. Dabei ist aber entscheidend, dass die zur Schau
gestellten Körper makellos erscheinen, über große sekundäre Geschlechtsorgane
verfügen und dennoch nicht das Gefühl erweckt wird, dass es auch ohne Männer
ein Leben für diese Frauen gäbe. Ganz anders stellt sich dort das gleichgeschlechtliche
Zwischenspiel weiblicher Punks dar. Das Aussehen will weder Main-Stream-Mode
noch dem allgemeinen ästhetischen Empfinden gefallen. Sexuelle Anregungen für
männliche Betrachter sind demnach nur für Rebellen vorbehalten, sodass eine
weitere Provokation im öffentlichen Raum vonstattengehen kann.
Ein Kant auf Reisen
Während die Punk-Szene den Ruf des ungebildeten hatte,
untermauern heutige Mitglieder ihre Ansichten durch fundierte Kenntnisse in
Philosophie und Psychologie. Dabei spielt nicht der Abschluss eines Studiums
die wesentliche Rolle, sondern die Erweiterung des Wissens aller.
Fachdiskussionen über hegemonisches Verhalten der
Angepassten sind keine Seltenheit mehr. Der aufgeklärte Punker weiß, dass die
Bewegung durch dieses Wissen fortbestehen wird. Auf der anderen Seite hat der
Betrachter solcher Gruppen das Gefühl der Unzulänglichkeit. Nur die akademische
Schicht kann den Gedankengängen folgen und wird nicht in seinen festgefahrenen
Vorurteilen bestätigt. Die restlichen Mitfahrenden sind nur verwirrt ob der
vielen Fremdwörter, die gebraucht werden von diesen Ausgestoßenen.
Der heutige Punk ist anders als der der 70er und 80er. Man
sieht an ihm aber die Entwicklung an da er erkannt hat, dass die Gesellschaft
sich verändert hat. Zur Rebellion gegen diese Gesellschaft ist es wichtig sich
dieser Entwicklung anzupassen. Der reisende Punk verdeutlicht dies auf
anschauliche Weise.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen