Montag, 12. September 2011

Die Piraten beim Tagesspiegel


Die Piratenpartei war zu Gast beim Tagesspiegel. Selbstkritisch musste die Redaktion eingestehen, dass sie den derzeitigen Erfolg der Partei in den Umfragen unterschätzt hat. Damit waren sie aber sicherlich nicht allein, denn die derzeitigen bis zu 6,5% bei den Piraten sind für viele eine Überraschung.

Während sich der Spitzenkandidat der Piraten, Andreas Baum, bei der RBB-Runde mit der Frage nach dem aktuellen Schuldenstand Berlins blamierte, konnte er an dieser Stelle eine Art Schuldenuhr präsentieren. Sicher hat die Beantwortung einer solchen Frage nichts mit politischen Inhalten oder Durchsetzungskraft zu tun, aber nagte es doch an der Glaubwürdigkeit eine ernstzunehmende Partei zu sein.

Im Saal des Tagesspiegels hatten sich nach eigenen Angaben rund 90 Personen eingefunden, trotz Unwetters vor der Tür und kurzfristiger Ankündigung. Das Publikum war auch breit gefächert. Neben den Piraten selber, manche unverkennbar an den umfunktionierten Geschirrtüchern, die man sich um den Kopf wickelte, waren aber auch Personen anwesend, die man nicht unbedingt dem potentiellen Wählerkreis der Piraten zurechnen würde.
Und genauso bunt war dann auch die Fragerunde. Ein älterer Herr konnte den Prolog nicht abwarten und startete gleich mit der Frage zur geplanten "Legalisierung" des Schwarzfahrens der Partei. Dies schien aber die meisten im Saal zu beschäftigen, drehte sich fast alles um den Öffentlichen Nahverkehr. Es wirkte als trafen zwei Gruppen aufeinander: Hier die Partei mit einer neuen Kommunikationsform zur Ideenfindung und auf der anderen Seite der Leser, der gewohnt war an starken Köpfen und Strukturen einer Partei.
Für die Übersetzung dieser Eigenart der Partei in eine einfache allgemein verständliche Sprache bemühte sich Andreas Baum redlich; ihn fehlten aber die griffigen Worte.

So wurde versucht auf Detailfragen klare Antworten zu erhalten, ohne den Kontext in dem sie stehen beachten zu wollen. Beharrlich wurde versucht dies zu erklären, aber traf meist auf Unverständnis, da man sich ja auf dieses Detail in der Frage versteift hatte.

So bleibt am Ende die Erkenntnis, dass die Piraten sich für mehr Transparenz, mehr Teilhabe und für Individuallösungen statt pauschale Formulierungen einsetzen. Da man kein Vollprogramm habe, könne man nicht auf alle Fragen Antworten haben.
Diese Ehrlichkeit ist bemerkenswert. So wirkte der Abend frischer als erwartet. Es saß eben nicht der gestandene Politiker auf der Bühne, der mit geschliffenen Worten auf jede Frage antworten konnte ohne etwas zu sagen. Und wenn Herr Baum keine Antwort wusste, gab er dies auch unumwunden zu.

Etwas erstaunt war ich von manchem Gast. Man musste sich für diese Veranstaltung anmelden, namentlich. Und wenn man nach nicht einmal dreißig Minuten geht stellt sich mir die Frage: Was haben diese Personen für Erwartungen an den Abend gehabt? Es war ein Diskussionsabend mit der Piratenpartei, kein Varieté.
Selbst die Reporterin des WDR blieb nicht lange. Sie wollte scheinbar nur ein paar Eindrücke gewinnen, schrieb ungefähr eine A5-Seite voll und ging. Damit entging sie weiteren Inhalten der Partei, aber wahrscheinlich wollte sie mehr den Gesamteindruck erhalten.

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