Die Piratenpartei war zu Gast beim Tagesspiegel.
Selbstkritisch musste die Redaktion eingestehen, dass sie den derzeitigen
Erfolg der Partei in den Umfragen unterschätzt hat. Damit waren sie aber
sicherlich nicht allein, denn die derzeitigen bis zu 6,5% bei den Piraten sind
für viele eine Überraschung.
Während sich der Spitzenkandidat der Piraten, Andreas Baum,
bei der RBB-Runde mit der Frage nach dem aktuellen Schuldenstand Berlins
blamierte, konnte er an dieser Stelle eine Art Schuldenuhr präsentieren. Sicher
hat die Beantwortung einer solchen Frage nichts mit politischen Inhalten oder
Durchsetzungskraft zu tun, aber nagte es doch an der Glaubwürdigkeit eine
ernstzunehmende Partei zu sein.
Im Saal des Tagesspiegels hatten sich nach eigenen Angaben
rund 90 Personen eingefunden, trotz Unwetters vor der Tür und kurzfristiger
Ankündigung. Das Publikum war auch breit gefächert. Neben den Piraten selber,
manche unverkennbar an den umfunktionierten Geschirrtüchern, die man sich um
den Kopf wickelte, waren aber auch Personen anwesend, die man nicht unbedingt
dem potentiellen Wählerkreis der Piraten zurechnen würde.
Und genauso bunt war dann auch die Fragerunde. Ein älterer
Herr konnte den Prolog nicht abwarten und startete gleich mit der Frage zur
geplanten "Legalisierung" des Schwarzfahrens der Partei. Dies schien aber die
meisten im Saal zu beschäftigen, drehte sich fast alles um den Öffentlichen Nahverkehr.
Es wirkte als trafen zwei Gruppen aufeinander: Hier die Partei mit einer neuen
Kommunikationsform zur Ideenfindung und auf der anderen Seite der Leser, der
gewohnt war an starken Köpfen und Strukturen einer Partei.
Für die Übersetzung dieser Eigenart der Partei in eine
einfache allgemein verständliche Sprache bemühte sich Andreas Baum redlich; ihn
fehlten aber die griffigen Worte.
So wurde versucht auf Detailfragen klare Antworten zu
erhalten, ohne den Kontext in dem sie stehen beachten zu wollen. Beharrlich
wurde versucht dies zu erklären, aber traf meist auf Unverständnis, da man sich
ja auf dieses Detail in der Frage versteift hatte.
So bleibt am Ende die Erkenntnis, dass die Piraten sich für
mehr Transparenz, mehr Teilhabe und für Individuallösungen statt pauschale
Formulierungen einsetzen. Da man kein Vollprogramm habe, könne man nicht auf
alle Fragen Antworten haben.
Diese Ehrlichkeit ist bemerkenswert. So wirkte der Abend
frischer als erwartet. Es saß eben nicht der gestandene Politiker auf der
Bühne, der mit geschliffenen Worten auf jede Frage antworten konnte ohne etwas
zu sagen. Und wenn Herr Baum keine Antwort wusste, gab er dies auch unumwunden
zu.
Etwas erstaunt war ich von manchem Gast. Man musste sich für
diese Veranstaltung anmelden, namentlich. Und wenn man nach nicht einmal dreißig
Minuten geht stellt sich mir die Frage: Was haben diese Personen für
Erwartungen an den Abend gehabt? Es war ein Diskussionsabend mit der
Piratenpartei, kein Varieté.
Selbst die Reporterin des WDR blieb nicht lange. Sie wollte
scheinbar nur ein paar Eindrücke gewinnen, schrieb ungefähr eine A5-Seite voll
und ging. Damit entging sie weiteren Inhalten der Partei, aber wahrscheinlich
wollte sie mehr den Gesamteindruck erhalten.
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