Der Weg vieler Bahnreisenden im Harz wird durch den Bahnhof in Halberstadt bestimmt. Hier kreuzen sich die Strecken von Vienenburg nach Halle, nach Magdeburg oder Thale. Spätestens wenn man nach Berlin möchte, muss man über Halberstadt reisen.
Als begeisterter Bahnfahrer bin ich sehr oft mehr oder minder freiwillig am „Tor zum Harz“ umgestiegen. Damit konnte nah miterleben wie sich der Bahnhof verändert hat über die Jahre; gefühlt wurde dieser nämlich zehn Jahre und länger umgebaut.
In meinen ersten Jahren als Bahnreisender war mir der Bahnhof in Halberstadt sehr unheimlich. Die Gleise waren etwas versetzt, wurden halbiert und die Wege teilweise verschlungen. Dazu war das Pflaster nicht eben, sondern wellig.
In den darauffolgenden Jahren wurde ein großes Plakat über die zerfallene Fassade gehängt, der Supermarkt musste weichen und schließlich rückten große Baumaschinen an. Aber der Hauptgrund für diese Umbaumaßnahmen war die Erneuerung der Eisenbahnstrecke. Die Hoffnung auf einen gut ausgebauten Bahnhof war nicht beinhaltet. Im Bahnhofsgebäude selber reagierte Tristes und der Charme kalter DDR-Verwaltung. Das Grau wurde zum Inbegriff des Lebens im Inneren.
Nach dem oben erwähnten gefühlten Jahrzehnt ist der Bahnhof nun runderneuert. Das alte Backsteingemäuer wurde renoviert und das Innenleben verbessert. Der Vorplatz mit moderner Kunst bebaut und der Stand der Technik hielt Einzug.
Die Allianz pro Schiene zeichnete nun den Bahnhof Halberstadt als Bahnhof des Jahres in der Kategorie „Kleinstadtbahnhof“ aus. Im Urteil heißt es:
Mächtige Backsteine außen, schöne Rundungen innen, fließende Formen auch im Umfeld.
Man kann auch hier über diese Entscheidung streiten. Dennoch ist es sicherlich eine richtige Wahl, denn der Bahnhof in Halberstadt sieht mittlerweile so aus wie fast jeder andere in Deutschland. Nur ist er noch frisch, gut erhalten und nicht so heruntergekommen.
Der Erhalt eines alten Backsteingemäuers sollte selbstredend sein. Dabei sind die angesprochenen „Schwünge“ im Inneren des Bahnhofgebäudes Verschwendung von Platz. Die lang gezogenen Glasfassaden erinnern an Kaufhäuser, die davor zurückschrecken individuell erkennbar zu sein. Die dazu uniformierte Bezeichnung der Läden über dieser Glasfassade wirkt wie der hilflose Versuch der Vergabe von Namensschildern.
Der Vorplatz wurde übersät mit Pyramiden, die moderne Kunst symbolisieren oder einfach nur triste Langeweile. Die langen Flächen können zwar gut von Skate-Board-Fahrern genutzt werden, aber bieten kaum größeren Reiz. Vereinzelte Bäume spenden Schatten, aber sind kein Ersatz für einen schönen Grünpark. Der fehlende Mut die Betonierung durch eine kleine Parkanlage zu unterbrechen ist sicherlich der Angst geschuldet, dass sich die örtliche Drogenszene dort ansiedeln könnte. Demnach schwenkte man eher auf die „fließende Formen“ von Pyramiden, eckigen Einrahmungen und der großen Leere um.
Die Krönung bildet aber der Standardbahnsteig. Das typische Design der geraden Linien, der austauschbaren Anzeigen und einfallslosen Gittersitzplätze lässt jeden Bahnreisenden das Gefühl aufkommen zuhause zu sein. Dabei ist es egal, ob es Tübingen, Ludwigsfelde oder Halberstadt ist. Nur der Blick auf das Bahnhofsgebäude lässt erkennen, dass man in Halberstadt ist. Der mächtige Backstein wirkt Wunder. Leider darf man sich nicht umdrehen, da man sonst die Ödnis und den Zerfall der restlichen Umgebung erkennt.
Zusammenfassend erkennt man die klare Linie des Bahnhofsausbaus in ganz Deutschland: Standardbaukasten in Zusammenspiel mit einem individuellem Gebäude. Damit kann man sich in der gesamten Republik fühlen als wäre man nie unterwegs gewesen. Und damit ist die Entscheidung nur konsequent.
Herzlichen Glückwunsch an den Bahnhof in Halberstadt zur Auszeichnung.
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